Kapitel 4


Von Sith und Sklaven, Teil 2


Ein Glück! Diese imperialen Transportshuttle sind doch deutlich angenehmer, als wenn man auf einem Speeder sitzt“, dachte sich Aslan, während er die Dschungellandschaft beobachtete.
Vor allem, wenn er von einer gewissen durchgeknallten Psychopatin gefahren wird.“
Diese döste auf dem Sitz neben ihm vor sich hin.
Sieh an, sogar Kaliyo braucht hin und wieder Ruhe.“
Vette summte leise eine Melodie, die dem Agenten unbekannt war. Woran sie wohl gerade dachte? An ihre Heimat vielleicht? Wo kam sie denn überhaupt her? Aslan gingen in diesem Moment viele Fragen durch den Kopf. Ohnehin stand sein Kopf nie wirklich still. Ihn beschäftigte alles, was er wahrnahm. Seine Empfindlichkeit gegenüber Eindrücken, die er von seiner Mutter geerbt haben muss, war sowohl Segen als auch Fluch.
Einerseits war er wachsam und hatte die Gabe, in Gesichtern Stimmungen und Absichten zu erkennen wie sonst kaum jemand. Einer seiner Ausbilder an der Akademie meinte damals gar, der Junge könne Gedanken lesen. Andererseits brannten sich einige Eindrücke tief ein und verfolgten ihn bis in den Schlaf.
Von Rageous, der schräg hinter ihm saß, konnte Aslan nichts hören. Er wagte es nicht, sich umzudrehen. Wer wusste schon, welche üble Laune der Sith diesmal verspürte. Und auf Machtwürgen hatte der Agent ganz sicher keine Lust, daher ging er lieber noch einmal die Beschreibungen und Anweisungen von Lord Baras durch. Eine gute Vorbereitung war schließlich der Schlüssel zum Erfolg.
Tüftler 13 hatte ihm außerdem ein paar hübsche technische Spielereien mit auf den Weg gegeben. Neben seinem Handblaster, den er auf Betäubungsschüsse optimieren ließ, verfügte Aslan jetzt auch über ein kleines Bolzenschussgerät, welches er integriert in einem Armschutz trug. Damit ließen sich organische Ziele nahezu lautlos betäuben. Des Weiteren erhielt er einige Blendgranaten, die sich je nach Bedarf auch an Oberflächen anbringen und fernzünden ließen. Ergänzt wurde die kleine Waffensammlung durch ein leistungsfähiges Vibromesser, das auch als Schneidwerkzeug verwendet werden konnte. Schwere Ausrüstung kam für den Agenten hingegen nicht in Frage. Selbst Blastergewehre empfand er als zu sperrig für seine Missionen, zumal er nicht der beste Schütze war. Wozu sich also unnötigen Ballast aufbürden?
Doch das Beste von allem war der Tarngenerator. Diese technische Meisterleistung konnte den Anwender optisch mit seiner Umgebung verschmelzen lassen. Damit war es möglich, unbemerkt an den feindlichen Linien vorbei weit genug zu gelangen, um seine Mission zu erfüllen, idealerweise ohne jeglichen Feindkontakt. Das Imperium bemühte sich, sein Monopol auf diese Technologie zu verteidigen, jedoch passierte es immer wieder, dass einzelne Generatoren von Schmugglern gestohlen wurden.
Das Shuttle fuhr langsamer und hielt an einer der vielen Kontrollstationen, die das Imperium über weite Teile des Planeten verteilt hatte. Da Reisen dieser Art für üblich angemeldet waren, ging die Fahrt normalerweise nach kurzer Prüfung der Identitäten weiter. Hier und heute war allerdings Endstation. Glücklicherweise regnete es ausnahmsweise mal nicht.
Kaliyo erwachte aus ihrem Halbschlaf: „Was'n los? Sind wir schon da?“
Alle aussteigen! Befehl vom Oberkommando“, rief draußen ein Unteroffizier, der sicherstellte, dass kein einziges Fahrzeug diesen Punkt passierte.
Da kann man wohl nichts machen“, stellte Aslan fest und begab sich als Erster ins Freie und sah ein ungewöhnlich großes Truppenaufgebot für einen Kontrollposten. Er wandte sich an den Soldaten, der seinen Ausweis kontrollierte.
Hier ist anscheinend ziemlich viel los, Fähnrich.“
Das kann man wohl sagen, Agent. Das Oberkommando ist offenbar nervös wegen des Aufstandes. Sie befürchten, dass er sich weiter ausbreiten könnte.“
Leiser, fast flüsternd, fügte er hinzu: „Es heißt, es seien verräterische Sith im Spiel.“
Aus diesem Grund sind wir hier.“
Just in diesem Augenblick stiegen auch die anderen Drei aus. Der Fähnrich war überrascht, als er die zusammengewürfelte Gruppe sah. Er hatte sicher nicht erwartet, dass Aslan der einzige Mensch unter ihnen war.
Mit einem nervösen Lächeln nahm er nacheinander die Ausweise entgegen. Vette grüßte ihn freundlich, Rageous sah ihn herausfordernd an und Kaliyo … ignorierte ihn einfach.
Die Nervosität des Fähnrichs verstärkte sich, als der Sith sich in harschem Ton an ihn wandte: „Wer ist hier der befehlshabende Offizier?“
C-Commander P-Pritch, mein Sith.“
Der Cathar musterte ihn kritisch. Der Soldat hatte das Gefühl, als ob ihn der raubkatzenartige Krieger bei der kleinsten Schwäche anspringen würde.
Richtet ihm aus, dass wir auf Anweisung von Lord Baras hier sind. Ich verlange einen Lagebericht.“
J-jawohl, mein Sith.“
Auf dem Weg zur Schlucht kam die Gruppe immer wieder an einzelnen Militäreinheiten vorbei. Zahlreiche Truppengattungen – vor allem Infanterie, aber auch gepanzerte Fahrzeuge waren hier zusammengezogen worden, und provisorische Gebäude wurden für die Mannschaften errichtet.
Vette bestaunte die aufgebotene Truppenstärke. „Junge! Bauen die hier etwa noch eine Stadt auf?“
Kaliyo ließ sich nichts anmerken, aber die Präsenz der vielen Imperialen schien ihr Unbehagen zu bereiten.
Das sind mir eindeutig zu viele Imperiale auf einem Haufen.“
Aslan war ebenfalls erstaunt: „Du lieber Himmel! Halb Dromund Kaas scheint hier versammelt zu sein.“
Soldaten, die nahe des Weges standen, beobachteten die ungewöhnlichen Vier, teils mit Neugier, teils misstrauisch und argwöhnisch, sehr zum Missfallen von Rageous. Der Cathar fühlte sich von den Augen, die auf ihn gerichtet waren, genervt und keifte schließlich eine Gruppe von Soldaten an, welche die Gruppe besonders zu beäugen schien: „Was gibt es da zu glotzen?? Noch nie einen Cathar gesehen?“
Eine Machterschütterung ließ zwischen dem Sith und den Trupplern den Boden kurz beben, so dass Wurzeln knackend die Erde aufbarsten und Steine zitternd tänzelten. Der Ausbruch war nicht sonderlich groß, aber für die adressierten Soldaten spürbar genug, um zurückzuweichen und sich wieder auf ihre Aufgaben zu konzentrieren.
Aslan verfolgte diese sprichwörtliche Machtdemonstration wie gebannt. Es war das erste mal, dass der Agent einen Machtanwender in Aktion erlebt hatte. Auch wenn das Ausmaß vergleichsweise gering war, so hinterließ die Vorführung doch einen bleibenden Eindruck.
Ich kann euch auch noch mehr zeigen, wenn ihr wollt“, rief der Cathar mit einer Mischung aus Stolz und Androhung, worauf Aslan in dankender Ablehnung die Hände vor sich hielt.
Oh, ich denke, das wird nicht nötig sein.“
Kaliyo kommentierte den Gefühlsausbruch auf ihre Art: „Grabt Ihr immer gleich alles um, wenn Euch ein Mensch mal schief anschaut? Würde ich das tun, wäre halb Dromund Kaas ein einziges Beet.“
Hüte deine Zunge, Schlange!“
Vette, die die Launen ihres Gebieters natürlich kannte, feixte verkniffen, was Rageous vergeblich zu ignorieren versuchte und stattdessen beleidigt weiterging.

An der Schlucht angekommen, bot sich der Gruppe ein imposantes Bild. Auf einer Anhöhe, am Fuße eines Berges auf der anderen Seite der Schlucht, erhob sich der unvollendete Koloss. Das grimmig dreinblickende Abbild von Lord Vovrawn hielt in einer Hand ein tetraedrisches Holocron. Auch wenn er sich noch im Bau befand, ragte der Koloss bereits majestätisch und zugleich bedrohlich über den Dschungel hinaus. Die nahende Dämmerung ließ ihn geradezu unheimlich erscheinen.
Gerade, als man dachte, hier gäbe es noch nicht genug große Statuen...“, konstatierte Vette in dem Versuch, die gruselige Atmosphäre ein wenig aufzulockern.
Ein Offizier näherte sich und stellte sich als Commander Pritch vor. Er wusste offensichtlich, dass der kleine Einsatztrupp von einem Fremdling in Person von Rageous angeführt wurde. Jedenfalls fiel Aslan bei Pritch eine deutliche Abneigung gegenüber dem Cathar auf, ganz zu schweigen von Kaliyo und Vette, deren Anwesenheit er scheinbar ignorierte, während er die aktuelle Situation schilderte.
Die Rebellen haben sich im Dschungel auf der anderen Seite der Brücke verschanzt. Es dürften etwa zweitausend von ihnen sein. Sie sind weitestgehend unbewaffnet, werden aber von einer Gruppe Sith unbekannter Anzahl unterstützt. Unsere Truppen sind jederzeit einsatzbereit, doch bevor wir nicht wissen, mit wieviel Widerstand wir zu rechnen haben, werden wir nicht angreifen. Jeder einzelne Sith, den wir zu bekämpfen haben, erhöht die Truppenverluste beträchtlich. Die Soldaten werden noch an anderen Fronten gebraucht, daher können wir uns keine hohen Verluste leisten.“
Dann schicken wir eben unsere eigenen Sith gegen die Verräter, und die Armee kümmert sich um die Sklaven“, fiel Rageous genervt in die Ausführung des Commanders.
Das würden wir normalerweise tun, nur stehen uns leider zu wenige zur Verfügung. Von den hochrangigen Sith will sich niemand mit einem Sklavenaufstand befassen. Vielleicht ändert sich das aber, wenn wir das genaue Ausmaß der Rebellion kennen.“
Dann finden wir es eben heraus. Wenn wir die Sklaven auf der anderen Seite niedermetzeln, werden die Abtrünnigen aus ihren Löchern kriechen. Dann lassen wir sie alle büßen.“
Der Commander quittierte diesen impulsiven Vorstoß mit einem arroganten Lächeln:
Ich will Euren Tatendrang nicht bremsen, mein Sith, aber unser Gegner ist organisierter, als Ihr vielleicht denkt. Die Wachen der Sklaven an der Brücke erstatten offenbar regelmäßig Bericht an ihre Rädelsführer. Falls Ihr über die Brücke stürmt und sie tötet, wäre es wahrscheinlich, dass sie vorher ein Notsignal absetzen. Dann würdet Ihr kurze Zeit später einer Horde Sith gegenüberstehen.“
Auch wenn er die Schwierigkeit der Situation erkannte, gab sich der Cathar selbstbewusst.
Sollen sie doch kommen! Mit mir müssen sie es erstmal aufnehmen!“
Vette bewunderte seinen Mut: „Dann gebe ich Euch Rückendeckung.“
Aslan wog die Optionen ab.
Wissen wir, wie oft die Wachen Bericht erstatten? Wer führt sie an? Und gibt es vielleicht einen anderen Weg, um auf die andere Seite zu gelangen?“
Ihren Anführer kennen wir nicht. Von den Sklaven hat bisher noch keiner versucht, Kontakt mit uns aufzunehmen. Wir gehen davon aus, dass sie von den Sith koordiniert werden. Unsere Beobachtungen zeigen, dass die Wachen alle 30 Minuten Meldung machen. Eine andere Möglichkeit, um zu Fuß hinüberzulangen, ist nicht bekannt. Und ein Flug kommt nicht in Frage. Das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen.“
Und wie sollen wir es Eurer Meinung nach anstellen?“, fragte der Sith genervt.
Ich habe eine Idee“, warf der Agent ein. „Wir sollten einen Moment abwarten, an dem die Wachen Bericht erstatten, uns unbemerkt anschleichen und sie auf einen Schlag ausschalten.“
Und wie genau wollt Ihr das anstellen?“, fragte der Commander skeptisch.
Mit meinem Tarngenerator sollte es mir möglich sein, nah genug heranzukommen.“
Kaliyo stimmte zu: „Das gefällt mir. Sie werden Euch nicht kommen sehen. Und wenn sie Euch bemerkt haben, wird es zu spät sein.“
Einen von ihnen solltest du aber bei Bewusstsein lassen. Dann können wir ihn gleich befragen.“, gab Vette zu bedenken.
Rageous wurde ungeduldig.
Na meinetwegen. Fangen wir endlich an, bevor wir noch Wurzeln schlagen. Aber wenn das schiefgeht, gehe ich rein und räume auf.“
Ich werde Euch nicht enttäuschen.“

Aslan ging am Ende der Brücke in Stellung, während der Rest des Teams die andere Seite beobachtete. Er schaute sich die Situation genau an und ging alle möglichen Risiken im Kopf durch. „Die Brücke ist etwa 200 Meter lang. Davon sind die letzten zwanzig bis dreißig Meter beleuchtet. Wieviele Wachen sind es? Sind sie ausgebildet? Bewaffnet? Komme ich wirklich an sie heran, ohne entdeckt zu werden?
Der Agent hatte den Tarngenerator nur einmal ausprobiert, als er ihn von Tüftler 13 erhielt. Jetzt sollte sich zeigen, ob er auch einsatztauglich war. Fakt war, dass das Tarnfeld enorm viel Energie verbrauchte und daher nur so kurz wie möglich aktiv sein durfte. Die einsetzende Dunkelheit sollte es immerhin erlauben, zumindest die Hälfte der Brücke ohne Tarnung unbemerkt zu überqueren.
Die Meldung ist durch, es kann losgehen.“, gab der Commander das Zeichen.
Aslan atmete tief durch und betrat die Brücke in geduckter Haltung. Die Rebellen hatten auf ihrer gesamten Länge Barrikaden verteilt, was der Agent zu seinem Vorteil nutzen konnte, um Deckung zu finden.
Er hatte die Hälfte hinter sich. Jetzt wurde es ernst. Durch die glücklicherweise nur mäßige Beleuchtung am Ende der Brücke vermied es der Agent, geblendet zu werden. Er hockte sich hinter eine Barrikade und warf einen Blick auf die andere Seite. Es waren drei Wachen zu erkennen, von denen einer fortwährend die Brücke im Auge behielt. Ein weiterer patrouillierte quer zur Brücke. Der Dritte schien regungslos in der Nähe des Meldegerätes zu sitzen.
Wenn er schläft, habe ich eine Chance“, dachte sich Aslan, während er sich langsam aber sicher dem beleuchteten Bereich näherte. „Ich verlasse mich auf Euch, Tüftler.“
Mit einem leisen Surren hüllte die Tarnvorrichtung den Agenten in eine wabernde Sphäre, die den Anwender wie eine lichtdurchlässige Haut verschwinden zu lassen schien.
Sehr gut, sie haben mich anscheinend noch nicht bemerkt.
In geduckter Haltung, aber mit raschen Schritten lief Aslan zielstrebig durch die Lichtkegel, während er sich bemühte, möglichst leise zu laufen. Da dieser Teil zu seiner Agentenausbildung gehörte, gelang ihm dies zunächst recht gut. Die patrouillierende Wache lief gerade an der Brücke vorbei, was nur noch einen der Brückenwächter seinen Blick auf selbige richten ließ.
Jetzt oder nie!“ Der Agent konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf das Ziel und hielt seinen Blaster griffbereit.
Erst ein lautloser Bolzenschuss auf den Posten vor mir, dann einen gezielten Blasterschuss auf die Patrouille. Anschließend sofort die verbleibende Wache daran hindern, Alarm zu schlagen...
Aslan nahm sein erstes Ziel ins Visier, als er plötzlich über Schutt strauchelte.

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