Kapitel 2: Der Geheimdienst

Der Geheimdienst


"Halt! Die Zutrittserlaubnis!", bellte es Aslan und Kaliyo entgegen. Ersterer blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Im Eingangsbereich der Geheimdienstzentrale stand eine resolute Frau, die jeden kontrollierte, der das Gebäude betreten wollte. Ihre Haltung war kerzengerade, als hätte sie einen Besenstiel verschluckt, und ihre Uniform saß absolut tadellos. Sie musste Mitte vierzig gewesen sein – definitiv weder neu in der Organisation, noch zum alten Eisen gehörend. Mit kritischer, teils argwöhnischer Miene überprüfte sie die Ausweise des Agenten und seiner schlagkräftigen Begleitung. Aslan wirkte sichtlich angespannt. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. In seinem Kopf ratterte es. Könnte es ein Problem mit Kaliyo geben? Sie war schließlich kein Mensch, und außerdem hatte sie schon so einiges auf dem Kerbholz. Was wäre, wenn sie irgendeinem Verantwortlichen nicht ins Konzept passte? Hatte sie vor ihrer kurzen gemeinsamen Zeit etwas angestellt, das dem Imperium missfiel? Oder war er selbst vielleicht das Problem? Nein, unwahrscheinlich. Dafür lief es doch bisher gut, und Feinde hätte er sich doch in der kurzen Zeit kaum machen können. Warum dauerte das also so lange?
"In Ordnung. Können passieren!", kam kurz darauf die erlösende Antwort.
Der Agent atmete sichtlich erleichtert durch. "Puh! Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn man ihr die falschen Dokumente gibt."
"Dann verwandelt sie sich sicher in einen Sumpfwampa und frisst Euch bei lebendigem Leib", witzelte Kaliyo, die von Aslans Reaktion amüsiert war. Mit Karells Javis und seinen Leibwächtern wurde er spielend fertig, aber gegen eine imperiale Kontrollhexe sah er alt aus. Das Imperium musste seine Lakaien tatsächlich außerordentlich auf Disziplin und Gehorsam getrimmt haben. Die Rattataki konnte nur erahnen, wie hart die Ausbildung für ihren Partner gewesen sein muss. Sie hatte fast Mitleid mit ihm.
Der Agent seufzte nur nach der albernen Bemerkung seiner Begleiterin und schritt zielstrebig durch die Gänge der Einsatzzentrale. Er war schon gespannt darauf, wie die Verantwortlichen ihn einschätzten. Schließlich war es seine erste Mission gewesen. Er hatte aber ein gutes Gefühl bei der Sache, da der Einsatz ein voller Erfolg gewesen war. Jedoch konnte er sich in seinem noch immer halbdurchnässten Zustand nicht bei der Besprechung sehen lassen.
Wartet bitte kurz, ich muss mich nur eben besprechungsfähig machen. Rührt hier drin bloß nichts an, verstanden?”
Mit diesen Worten verschwand er hastig auf der nächsten Toilette und kam nach zwei Minuten deutlich trockener wieder heraus. Kaliyo grinste. “Das ging schnell. Als wärt Ihr nie draußen im Regen gewesen.”
Ein Glück, dass diese neuen Uniformen wasserabweisend sind”, dachte sich Aslan, bevor er eilig hinzufügte: “Schnelligkeit ist eben der Schlüssel zum Erfolg. Also lasst uns keine Zeit verlieren.”

Die Geheimdienstzentrale des Imperiums war eine einzige Überwachungsstation. Man konnte nicht umher, als sich von hunderten Augen beobachtet zu fühlen. Jeder Schritt konnte der falsche sein und mit ernsthaften Konsequenzen geahndet werden. In diesem Punkt war die Geheimdienstzentrale ihren Geschwistergebäudetrakten sehr ähnlich. Die gekühlte und gefilterte Luft, die kaum merklich, wie ein umherspukender Geist, durch die Gänge strich und für eine leichte Gänsehaut sorgte, verstärkte die Beklommenheit noch.
Auf dem Weg zur Nachbesprechung kamen die beiden an zahlreichen Räumen vorbei, in denen die Wächter des Geheimdienstes Unmengen an Informationen auswerteten. Tüftler waren Tag und Nacht damit beschäftigt, dieses unfassbar große technische Netzwerk am Laufen zu halten. "Wenn Ihr mal irgendwas verlieren solltet, wisst Ihr ja, wo ihr danach fragen müsst", meinte Kaliyo, leicht bissig angesichts des aus ihrer Sicht übertriebenen Aufwandes.
"Wenn das passieren sollte, werden die es hier wohl zuerst wissen.", bestätigte Aslan den Einwurf seiner Partnerin. Konzentriert und aufmerksam ließ er seinen Blick im Vorbeigehen durch die Räume wandern. Diese Hallen sollten schließlich ab sofort das Herzstück seiner Operationen werden – seine Augen, Ohren, und im Zweifelsfall seine Lebensversicherung.
Der Raum, in dem die Nachbesprechung stattfand, erschien im Vergleich zu den meisten übrigen Räumen, welche die beiden passiert hatten, geradezu winzig. In dessen Mitte befand sich ein breiter Tisch, an dem gerade einmal sechs Personen Platz fanden. Die kalten, metallisch-grauen Wände waren gerade so weit entfernt, um Tisch und Sitze umrunden zu können. Der Aufseher saß bereits im Raum und erwartete zusammen mit drei weiteren Anwesenden den Agenten und seine neue Partnerin.
"Willkommen auf Dromund Kaas, Agent Taranus. Bitte setzt Euch." Während der Angesprochene der Bitte nachkam, zögerte Kaliyo kurz, da sie nicht namentlich genannt wurde, setzte sich dann aber neben Aslan. So einfach ließ man sie nicht stehen. Nach ihrer unverhohlenen Drohung gegen den Aufseher auf Hutta wäre sie aber auch nicht überrascht gewesen, wenn dieser eine gewisse Abneigung gegen sie entwickelte. Für die meisten Menschen war es schließlich unerhört, von einem Fremdling derart behandelt zu werden. Die Rattataki war jedoch von seiner stoischen Reaktion überrascht. Ein Sith würde ein solches Verhalten keinesfalls tolerieren und hätte sie womöglich auf der Stelle getötet.
"Bevor wir mit der Nachbesprechung beginnen, möchte ich Euch unser Einsatzteam vorstellen." Der Aufseher wies auf die Frau zu seiner Rechten: Das ist Beobachter 5. Sie wird bei zukünftigen Missionen Eure Augen und Ohren sein. Sie ist speziell dazu ausgebildet worden, unbemerkt auszukundschaften und Informationen zu sammeln. Sie hat ihre Ausbildung als eine der Besten bestanden."
Aslan nickte ihr anerkennend zu und wunderte sich angesichts der Tatsache, dass die äußerlich eher schmächtig wirkende junge Frau mit ihren zarten Gesichtszügen als Feldagentin zum Einsatz kam. Andererseits war er selbst auch nicht der beste Kämpfer und schnitt bei entsprechenden Prüfungen meist mäßig ab.
Der Aufseher fuhr fort und wies auf einen großgewachsenen Mann mit blauer Haut und einem eiskalten, stoischen Gesichtsausdruck.
"Weiterhin haben wir hier Wächter 7. Er gehört zum Volk der Chiss und trat dem Imperium vor kurzem im Rahmen eines Austauschprogrammes bei. Er ist hochintelligent und darauf trainiert, binnen kürzester Zeit große Mengen an Daten auszuwerten und Lösungen zu erarbeiten. Ihr werdet auf ihn angewiesen sein, wenn ihr dort draußen bestehen wollt."
Die Praktik, Fremdlinge in die Reihen von Militär und Geheimdienst zu integrieren, wurde erst vor Kurzem eingeführt. Die von Menschen dominierte imperiale Gesellschaft traute ihnen nicht über den Weg, und so wurden Nichtmenschen, so sie nicht als Sklaven endeten, bisher allenfalls als Söldner eingesetzt.
"Und nicht zuletzt gibt es noch Tüftler 13. Er war Feldagent, bis ihn eine Verwundung in den Innendienst gezwungen hat. Durch seine Einsatzerfahrung und die Kenntnis der Gefahren hat er ein gutes Gefühl für die nötige Ausrüstung eines Agenten und wird Euch stets mit dem Besten ausstatten, was der imperiale Geheimdienst zur Verfügung hat."
Es schien Aslan ein wenig ironisch, dass der Tüftler ausgerechnet diese Unglückszahl zugeteilt bekam, nachdem er im Einsatz nicht gerade vom Glück gesegnet schien. Vielleicht hatte er aber auch Glück im Unglück. Glaubt man den Gerüchten, so betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines Feldagenten deutlich weniger als ein Jahr. Aslan hoffte inständig, dass er selbst später in den oberen Perzentilen dieser Statistik zu finden wäre. Eine professionelle Vorbereitung und Einsatzdurchführung erhöhte diese Chance, jedoch waren selbst erfahrene Agenten nie vor Überraschungen gefeit.
"Und nun zum Einsatz auf Hutta: Der Geheimdienst ist mit Euren Ergebnissen sehr zufrieden, Agent. Berichten zufolge laufen die Geschäfte mit Nem'ro wie erwartet. Der Hutte ließ uns ausrichten, dass er unsere Bemühungen um die Einrichtung seines Handelsmonopols zu schätzen weiß. Dennoch hätte er sich gewünscht, dass wir resoluter gegen seinen Rivalen vorgegangen wären. Alles in allem habt Ihr aber gute Arbeit geleistet, Agent Taranus." Aslan nickte dankend.

Der Geheimdienstminister trug mir auf, Euch für eine weitere, dringende Mission von höchster Priorität einzusetzen. Im Dschungel von Dromund Kaas gibt es seit Kurzem einen Sklavenaufstand. Dieser allein stellt noch keine ernsthafte Bedrohung dar. Unsere Späher berichten jedoch von Machtanwendern, die im Sklavenlager gesichtet wurden."
Der Agent war irritiert: "Könnte es sich um Jedi handeln?"
"Es gibt keinerlei Hinweise auf Aktivitäten der Republik oder der Jedi. Jedoch gibt es Quellen, die behaupten, dass eine Gruppe abtrünniger Sith im Geheimen einen Umsturz plant. Es ist also gut möglich, dass sie den Aufstand für ihre politischen Ziele nutzen. Wenn dem so ist, müssen wir diesen Versuch im Keim ersticken."
Aslan gab sich pflichtbewusst: "Wenn nötig, können wir sofort aufbrechen."
Kaliyo schmunzelte. Eine Armee mit diesem Elan würde die Republik im Handumdrehen in die Knie zwingen.
"Ich weiß Euren Einsatz zu schätzen, Agent, doch diese Mission wird von höherer Stelle geleitet."
Diese Aussage sorgte beim Agenten erneut für Verwirrung. Welche Institution sollte denn noch höhergestellt sein? Im Geheimdienst jedenfalls keine. Bedeutete das etwa ...?
"Der Orden der Sith wird diese Mission leiten. Ihr werdet Euch im Anschluss sofort in das Sith-Allerheiligste begeben und dort Lord Baras treffen. Er wird Euch weitere Anweisungen geben. Achtet stets darauf, ihm niemals zu widersprechen und seinen Befehlen unbedingt Folge zu leisten. Während dieser Mission werdet Ihr Lord Baras direkt unterstellt sein. Unser Team wird dennoch die Mission überwachen und Euch von hier aus unterstützen. Viel Glück, Agent. Und jetzt begebt Euch auf direktem Weg zu Lord Baras. Er wartet nur ungern. Eure Ausrüstung holt Ihr Euch im Anschluss."
Aslan blickte noch einmal in die Runde, ehe er den Raum mit Kaliyo verließ. Aslan fühlte sich durch die Worte des Aufsehers und das Vertrauen des Geheimdienstministers geehrt. Andererseits war er auch nervös angesichts der Bürde, die solch ein Einsatz mit sich brachte. Die Vorfreude, die er anfangs verspürte, war verflogen und einem mulmigen Gefühl gewichen, das von leichten Bauchschmerzen begleitet wurde. Eine Mission direkt unter dem Kommando eines Sith-Lords? Der Geheimdienstminister musste ihm wirklich viel zutrauen. Pflichterfüllung hin oder her – dieser Umstand bereitete dem Agenten Unbehagen. Es stand sehr viel auf dem Spiel.
Am Ausgang wartete noch immer die strenge Kontrolleurin, der wahre Wächter des Geheimdienstes. Doch diesmal war Aslan vorbereitet und bemühte sich, möglichst souverän aufzutreten. Kaliyo schmunzelte schon in Erwartung der unvermeidbaren Begegnung. „Vorsicht, Agent! Drache auf 12 Uhr!“
Doch noch bevor der Drache fauchte, hielt der Agent die besänftigenden Dokumente entgegen. Diesmal dauerte es allerdings nicht lange, und die beiden wurden mit einer kurzen Geste durchgewunken.
Na also, geht doch. Der furchteinflößende Drache ist bezwungen.“, scherzte Kaliyo.
Tja, man muss eben nur wissen, wie man ihm gegenübertreten muss.“, entgegnete Aslan, fast stolz darüber, diese Hürde gemeistert zu haben.
Dann dürftet Ihr mit den Sith ja keine Probleme haben.“
Hoffen wir, dass Ihr Recht behaltet. Ich werde auf das Schlimmste gefasst sein.“

Nachdem sie das Gebäude verließen, griff der Agent in seine Jackentasche und holte eine kleine Schatulle heraus. Für schwierige Situationen hielt er sich immer einige Präparate bereit, die er aus diversen Kräutern seiner alderaanischen Heimat herstellte, und die je nach Bedarf beruhigend oder aufputschend wirkten. In diesem Moment bedurfte es ganz klar eines Beruhigungsmittels.
Aslan zögerte beim Herausnehmen des Präparates und hielt kurz inne. Sieben Jahre waren nach dem Tod seiner Mutter bereits vergangen. Sie war Diplomatin auf Alderaan und warb im Dienste des Imperiums um die Gunst der ansässigen Adelshäuser. Nach einer plötzlichen, schweren Erkrankung kämpfte sie tapfer gegen das unvermeidliche Ende an, das sie schließlich nach einem halben Jahr ereilte.
Dass sie noch so lange durchhielt, war neben ihrem starken Willen auch dem aufopferungsvollen Einsatz ihres Sohnes zu verdanken, der sich in dieser schweren Zeit eingehend mit traditioneller Medizin und der Wirkung von Heilkräutern beschäftigte. Doch am Ende war sein Einsatz vergebens. Das tückische Gift, welches als Auflöser der Krankheit vermutet, aber nie nachgewiesen wurde, erwies sich als zu stark für den zarten Körper von Taliarya Taranus.
So wertvoll sein erlangte Wissen auch war – Aslan wünschte sich, es nicht unter diesen Umständen erlangt zu haben. Der Tod seiner geliebten Mutter beraubte ihn seines letztes Haltes. Als er 13 war, fiel sein Vater einem terroristischen Anschlag zum Opfer. Nach dem erzwungenen Frieden von Coruscant war die Anwesenheit des imperialen Militärs auf Alderaan eine Provokation für alle treuen Anhänger der Republik. Eine Gruppe Radikaler hatte beschlossen, sie mit allen Mitteln zu bekämpfen. Diese Feiglinge hatten weder Ehre noch Anstand. Für Aslan war es, als wäre auch ein Teil von ihm selbst gestorben. Jetzt war er Vollwaise.
Direkt nach der Akademie traf er den Entschluss, sich dem Imperialen Geheimdienst anzuschließen. Durch seinen guten Abschluss an der Akademie von Alderaan, die nach dem Vertrag von Coruscant praktisch unter dem Einfluss des Imperiums stand, enthielt er eine Empfehlung. Beim Geheimdienst wurde schließlich nicht jeder aufgenommen. Aslan hatte sich diesen Schritt gut überlegt. Zu groß war seine Wut und Trauer, als dass er das Geschehene einfach vergessen könnte. Er würde für sich keinen Frieden finden können, bis er die Schuldigen gefunden hatte. Und der Imperiale Geheimdienst bot ihm die beste Möglichkeit dafür.
Was folgte, war die bisher schwerste Zeit seines noch jungen Lebens … sieben verdammte Jahre voller Leiden und Entbehrungen, getragen von der Hoffnung, eines Tages die feigen Mörder seiner Eltern zu finden und sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Er würde sie finden – egal, wie lange es dauert...

Doch im Moment musste er erst einmal seinen Pflichten als Agent nachkommen.

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